Hinweisgeberschutz: Wie Unternehmen aus der Pflicht eine Tugend machen

Hinweisgebersysteme können wichtige Instrumente sein, um möglichst frühzeitig von Verdachtsfällen und Verstößen Kenntnis zu erlangen und diese eigenständig aufzuklären. Professionell betrieben, können Hinweisgebersysteme so das Vertrauen der Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner in die Integrität und in die Reaktionsfähigkeit und -willigkeit des Unternehmens stärken.

In der Vergangenheit existierte in Deutschland keine umfassende und einheitliche Gesetzgebung zum Schutz von Hinweisgebern. Hinweisgeber können jedoch sehr wertvolle Beiträge leisten, das Fehlverhalten natürlicher oder juristischer Personen aufzudecken und die negativen Folgen dieses Fehlverhaltens einzudämmen beziehungsweise zu korrigieren, verfügen sie doch über ein Spezialwissen, welches dem Unternehmen oft verborgen bleibt.

Die seit Mitte 2023 gesetzlich verankerte Verpflichtung zur Einrichtung eines internen Hinweisgebersystems ist für Unternehmen auch jenseits der gesetzlichen Verpflichtung von großem Interesse: Werden Missstände wie z. B. Korruption oder Unterschlagung frühzeitig intern aufgedeckt, lassen sich mögliche Reputationsschäden in der Öffentlichkeit von vorneherein vermeiden.

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Was ist das Hinweisgeberschutzgesetz?

Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz wurde der bislang lückenhafte und unzureichende Schutz von Hinweisgebern* ausgebaut und die EU-Whistleblower-Richtlinie [EU] 2019/1937) in deutsches Recht umgesetzt.

Das wichtigste Ziel des Gesetzes zum Hinweisgeberschutz ist der Schutz natürlicher Personen, die a) im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit von Verstößen gegen geltendes Recht erfahren haben und b) diese Informationen an eine interne oder externe Meldestelle weitergeben.
Ausdrücklich einbezogen in die Regelungen sind Arbeitnehmer, Beamte, Selbstständige, Gesellschafter, Praktikanten, Freiwillige, Mitarbeitende von Lieferanten sowie Personen, deren Arbeitsverhältnis bereits beendet ist oder noch nicht begonnen hat, also Personen in einem vorvertraglichen Stadium.

Durch das Gesetz soll sichergestellt werden, dass den hinweisgebenden Personen infolge bzw. aufgrund von Meldungen keine Benachteiligungen drohen. Daher verbietet das Gesetz zum Hinweisgeberschutz jegliche Repressalien und Vergeltungsmaßnahmen gegenüber den hinweisgebenden Personen. Zudem bewirkt das Gesetz bei tatsächlichen oder möglichen Repressalien eine Beweislastumkehr zugunsten der Hinweisgeber.

Hinweisgeberschutz: Das Wichtigste für Unternehmen auf einen Blick

  • Frist I: Unternehmen ab 250 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen müssen bis zum 02.07.2023 sichere Hinweisgebersysteme einführen
  • Frist II: Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen müssen bis zum 17.12.2023 sichere Hinweisgebersysteme einführen
  • Frist III: Auch Unternehmen des öffentlichen Sektors sowie Städte und Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern fallen unter das Gesetz und müssen ab Mitte Juni 2023 Hinweisgebersysteme anbieten
  • Meldungsabgabe: Das Verfahren der Meldungsabgabe muss mündlich oder schriftlich und auf Wunsch des Hinweisgebers/der Hinweisgeberin auch persönlich möglich sein
  • Eingangsbestätigung: Die interne Meldestelle muss dem Hinweisgeber/der Hinweisgeberin innerhalb von 7 Tagen den Eingang der Meldung bestätigen
  • Maßnahmen: Die Meldestelle muss die hinweisgebende Person innerhalb von drei Monaten darüber informieren, welche Maßnahmen in Folge der Meldung ergriffen wurden, z.B. über die Einleitung interner Untersuchungen oder über die Weitergabe der Meldung an die zuständige Behörde
  • Informationspflicht: Unternehmen müssen Informationen über zuständige Aufsichtsbehörde(n) bereithalten

Hinweisgeberschutz: Die wichtigsten Fragen und Antworten

Das Gesetz zum Hinweisgeberschutz sieht grundsätzlich zwei verschiedene Optionen vor, wie Informationen über gesetzeswidriges Verhalten weitergegeben werden kann. Diese Möglichkeiten werden als Meldekanäle bezeichnet.

Der Gesetzgeber hat dazu definiert, dass jedes Unternehmen einen internen Meldekanal schaffen muss. Die Meldung sollte sowohl schriftlich wie mündlich und auf Wunsch auch persönlich möglich sein.

Des Weiteren gibt es mit der externen Meldestelle beim Bundesamt für Justiz (BfJ) einen zweiten Meldekanal.
Grundsätzlich bleibt es dem Hinweisgeber selbst überlassen, über welche Stelle sie den Hinweis geben wollen. Das Gesetz zum Hinweisgeberschutz sieht jedoch vor, die internen Meldestellen der Unternehmen zu bevorzugen sind.

Letztere sind deshalb dazu aufgerufen, Anreize für die Abgabe von Meldungen bei der internen Meldestelle zu schaffen. Damit verbunden ist auch die Aufforderung, klare und leicht zugängliche Anweisungen zur Nutzung der internen Meldestelle bereitzustellen. Zudem darf der Zugang zur externen Meldestellen nicht behindert werden.
Das Hinweisgeberschutzgesetz verpflichtet nicht dazu, auch anonymen Hinweise zu verfolgen. Gleichzeitig empfiehlt das Gesetz dringend, auch anonyme Hinweise anzunehmen und zu bearbeiten – nur so lassen sich mögliche Missstände aufdecken und Imageschäden vermeiden.
Vom Schutz des HinSchG umfasst sind folgende Personen:
  • die hinweisgebende Person selbst
  • Personen, die die hinweisgebende Person unterstützen
  • Personen, die Gegenstand einer Meldung sind
  • sonstige Personen, die von einer Meldung betroffen sind
Der Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzes ist auf den beruflichen Kontext beschränkt. Die Hinweise über Verstöße müssen sich auf den Arbeitgeber oder andere Stellen beziehen, mit dem der Hinweisgebende beruflich in Kontakt steht oder stand.

Werden jedoch vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Informationen weitergeben, fällt der Hinweisgeber nicht unter den Schutz des Gesetzes. Eine böswillig hinweisgebende Person ist verpflichtet, Schadenersatz zu leisten.
Das Gesetz zum Hinweisgeberschutz verbietet jegliche Repressalien oder Vergeltungsmaßnahmen gegen Hinweisgeber. Auch die Androhung oder der Versuch von Repressalien ist strafbar. Entsteht dabei ein Schaden für den Hinweisgeber, z. B. bei Einkommensverlust durch eine Kündigung, steht dem betroffenen Hinweisgeber ein Anspruch auf Schadensersatz zu.
Laut Hinweisgeberschutzgesetz muss der Beschäftigungsgeber nachweisen, dass eventuelle Maßnahmen gegen hinweisgebende Arbeitnehmer NICHT im Zusammenhang mit der Aufdeckung von Missständen stehen. Damit trägt der Beschäftigungsgeber die Beweislast.
Das Hinweisgeberschutz-Gesetz stellt Unternehmen wie Konzerne vor große organisatorische Herausforderungen.

Als im Arbeitsrecht erfahrene Juristin kann Ulrike-Alexandra Seitzinger wesentlich dazu beitragen, für Ihr Unternehmen die Funktion einer internen Meldestelle zu übernehmen. Dabei kann sie gewährleisten, sämtliche Vorschriften aus dem Hinweisgeberschutzgesetz sowie aus der DSGVO, dem Bundesdatenschutzgesetz oder aus sonstigen Gesetzen zu erfüllen.

Hier finden Sie weitere, ausführliche Informationen zum Hinweisgeberschutz sowie eine Empfehlungen bezüglich der Einrichtung von internen, dezentralen Meldestellen in Tochter-Unternehmen von Konzernen und dem Zusammenhang des Hinweisgeberschutzes mit datenschutzrechtlichen Fragen.
* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird zumeist auf die parallele Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten dann gleichermaßen für beiderlei Geschlecht und stellen dabei keinerlei Wertung dar.